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Kunst endet nicht an den Grenzen

n-tv Interview mit Ingrid Roosen Trinks, erschienen am 5. Mai 2023

Angeln in Schleswig-Holstein

„Kunst ist eine Lebensbereicherung und schult die Resilienz, wir wissen ja nicht, was noch alles auf uns zu rollt“, glaubt Ingrid Roosen-Trinks.
(Foto: Nicole Hollmann)

Kunst in einer Scheune, die Sammlerin führt höchstpersönlich durch die Ausstellung, das Ganze in einem Landstrich, der als Geheimtipp gilt: Im Frühling und Herbst zeigt Ingrid Roosen-Trinks ihre beachtliche Kunstsammlung im Wittkielhof. Dafür hat sie vor einem Jahr den Verein „Kunst für Angeln“ ins Leben gerufen (und es geht nicht um Fische!). Künftig soll es auch Konzerte und einen Kinder-Kunstclub geben. Vor allem aber sollen die über 50 Jahre angehäuften Kunstwerke nicht in irgendeinem Lager vor sich hindämmern. Seit Jahrzehnten hat Ingrid Roosen-Trinks mit ihrem Mann eine kleine Kate in dieser an England erinnernden Landschaft, im nördlichsten Teil von Schleswig-Holstein. Was als Ruhepol für das hektische Leben in Hamburg und Berlin geplant war, wurde über die Pandemie zum wichtigen Wohnort. Die Räume in Berlin hat das Paar aufgegeben. „In Angeln gibt es sonst kaum Kunst zu sehen“, erkannte Ingrid Roosen-Trinks. Aktuell läuft die dritte Ausstellung „Art overcomes Boundaries“, mit der sie die deutsch-dänische Freundschaft stärken will. Ein Gespräch mit ntv.de über Kunsterlebnisse in einer besonderen Scheune, Freundschaft, Sammelleidenschaft, zufriedene Dänen und Grenzen.

ntv.de: Was steht hinter „Kunst für Angeln“?

Ingrid Roosen-Trinks: Kunst für alle. Wer die Kunst besuchen möchte, schickt einfach eine Mail an mich und wir machen einen Termin. Dabei ist es egal, ob Sie allein oder mit einer Gruppe kommen.

Sie führen die Besucher selbst, das ist ungewöhnlich …

Ich mache das sehr gerne. Jahrelang habe ich Kunst angehäuft und ich sage bewusst nicht gesammelt. Ich kaufe aus dem Bauch heraus, will die Künstlerinnen und Künstler kennenlernen, alles wissen. Ich habe eine Geschichte, wie die Kunst mich gefunden hat und zu fast jeder Arbeit eine Anekdote. Jedes Gespräch ist anders und neu, obwohl die Inhalte gleich sind. Es macht mir sehr viel Spaß, das weiterzutragen, es ist für mich „Kunstvermittlung“.

Im Frühling und Herbst öffnen Sie vier Wochen lang Ihre Sammlung, wo liegt der Vorteil dieses Pop-Up-Modells?

Ich finde Dinge reizvoller, wenn sie nicht permanent zugänglich sind. Im Sommer gibt es viele touristische Angebote, ich wollte etwas für die Menschen hier außerhalb der Saison machen, sie mit Kunst vernetzen. Zum anderen habe ich für eine Dauerausstellung nicht das Geld. Mit meinen begrenzten Mitteln ist das jetzt gut machbar. Zudem arbeiten wir sehr nachhaltig, in dem wir Holzplatten immer wieder neu zusammenbauen. So hat jede Ausstellung ein anderes Thema und einen neuen Look. Das ist auch überraschend für ein wiederkehrendes Publikum.

Was ist der Reiz, Kunst im Nirgendwo zu zeigen?

Kunstbrücke nach Dänemark: Hofhund Rosa und Hoffnung, eine Skulptur von Rupprecht Matthies.

(Foto: Sammlung Roosen-Trinks)

Menschen, die mir sagen: Kunst ist nicht so meins. Genau diese Gruppe will ich haben! Darum habe ich in den Neunzigern bei Klassik Radio gearbeitet. Wir wollten die Hörer der Popmusiksender zur klassischen Musik rüberholen. Mit der „Kunst für Angeln“ mache ich das genauso. Alles ist niederschwellig, unkompliziert, ohne Eintritt und in einem herrlichen Hofambiente. So kommen auch die, für die ein Museum eine Hemmschwelle ist. Die Menschen, die hier leben, sind unser Publikum. Und Kunstenthusiasten aus Deutschland und Dänemark.

Zur Eröffnung der Ausstellungen reisen viele Künstlerinnen und Künstler an, Sie sind mit vielen befreundet. Was macht für Sie Freundschaft aus?

Vertrauen und Verlässlichkeit über eine lange Zeit. Ich muss dazu sagen, ich bin seit fast 40 Jahren verheiratet. Mein Mann war verwitwet, als ich ihn kennenlernte. Wir haben keine gemeinsamen Kinder, aber ich habe Stiefkinder. Meine Freunde sind meine Familie, und die Kunstwerke sind meine Kinder.

Ihr Berufsleben steckte voller Neuanfänge. Sie haben Jeans verkauft, waren Stewardess, haben einen Radiosender aufgebaut, als Moderatorin gearbeitet und schließlich die Montblanc-Stiftung geleitet. Wie haben Sie es bei diesem Pensum geschafft, Freundschaften zu pflegen?

Ich bin ein Kommunikationsfreak, liebe technische Entwicklungen wie Smartphones. Ganz wichtig ist, dass ich, neben Beruf und Mann, nicht mit den klassischen Familienthemen wie Kinder, Pflege von Eltern und so weiter, eingespannt war. Diese Zeit konnte ich eben für meinen Freundeskreis aufwenden. Das heißt, wir haben uns persönlich getroffen, viel telefoniert und geschrieben. Handgeschriebene Karten bestärken das Gefühl von Freundschaft. Außerdem muss man sich auch nicht ständig sehen. Es reicht schon, wenn man auch nach Monaten oder sogar Jahren einfach anknüpfen kann, wo man vorher aufgehört hat. Die Wertigkeit ist mir deshalb so wichtig, weil durch soziale Medien wie Facebook der Begriff Freunde so inflationär gebraucht wurde.

Beziehungen oder Freundschaften mit Künstlerinnen und Künstlern sind Ihnen genauso wichtig …

Zur letzten Ausstellungs-Eröffnung kamen viele Künstlerinnen und Künstler. Freundschaften werden gern gepflegt.

(Foto: Ibo Ort)

Das ist eine rein egoistische Motivation – für mich ist Kunst einfach eine Bereicherung des alltäglichen Lebens. Durch den direkten Kontakt entdecke ich auch neue Künstlerinnen und Künstler.

Macht Kunstsammeln süchtig?

Wenn ich hier eine Ausstellung vorbereite und die Bilder schließlich beim Aufbau sehe, dann durchlaufen mich euphorische Wellen. Bei der Kunst, aber auch in der Musik brauche ich Fröhlichkeit. Unsere weltpolitische Lage belastet alle schon schwer genug. Nach 50 Jahren des Kunstanhäufens weiß ich, dass Kunst das Leben bereichert und den Horizont erweitert. Ich brauche sie, damit ich meinen Optimismus nicht verliere. Wenn ich anderen Menschen mit Kunstwerken aus meiner Sammlung ein Lächeln auf ihr Gesicht zaubern kann, macht mich das glücklich.

Was macht den Wittkielhof so besonders?

Abgesehen davon, dass wir uns in einer der schönsten Regionen Schleswig-Holsteins befinden, sind wir sehr froh, dass wir zweimal im Jahr an einem historischen Ort zeitgenössische Kunst zeigen können. Die Scheune wurde im Andenken an Asmus Petersen wiederaufgebaut. Der gebürtige Wittkieler war hier Gutsbesitzer, Landwirt und vor allem ein Visionär. Um 1850 hat er das erste Windrad erfunden und Bewässerungsanlagen für Felder gebaut.

Sie feiern mit der dritten Ausstellung auch Ihr einjähriges Jubiläum und zeigen junge Kunst aus Schleswig-Holstein und Dänemark. Wieso wollen Sie künftig noch grenzübergreifender arbeiten?

„Der Fireball von Stephen Craig kommt hier besonders gut zur Geltung“, freut sich die Sammlerin.

(Foto: Sammlung Roosen-Trinks)

Hier auf dem Land wird einfach viel zu wenig Kunst gezeigt, besonders von Künstlerinnen und Künstlern aus der Grenzregion. Wir können noch viel von den Dänen lernen. Zusammengehörigkeit und Zufriedenheit sind in Dänemark Worte mit Wert. Gemeinsam mit den Finnen sind die Dänen das glücklichste Volk überhaupt. Ich spreche kein Dänisch, aber die Verständigung über Musik und Kunst funktioniert bestens.

Daher auch der Titel der Ausstellung „Art overcomes boundaries“?

Ja, der Titel ist auf Englisch, weil ihn so jeder, auch jenseits der nahen Grenze, versteht. Ich mag das Wort Grenze nicht – abgrenzen ist nicht meins. Ich möchte Dänen hierherziehen und umgekehrt wünsche ich mir, dass wir Deutschen die Museen, Kunstschulen und Atelierräume in Dänemark knapp 50 Kilometer von hier entdecken. Es ist fantastisch, was es dort für eine lebendige Museumslandschaft zu entdecken gibt. Kunst endet nicht an Grenzen.

Wo liegen Ihre eigenen Grenzen?

Im Finanziellen. Zu gerne würde ich der Region hier ein Museum schenken, aber das geht nun mal nicht. Stattdessen konzentriere ich mich auf das, was in meinen Möglichkeiten liegt und hoffe, auch andere dafür zu begeistern, es mir gleichzutun.

Mit Ingrid Roosen-Trinks sprach Juliane Rohr

Juliane Rohr ist Autorin, liebt Kunst und schreibt darüber – wissend, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt. Die Geschichten und Menschen hinter dem Kunstwerk, das ist nun wiederum ihre Kunst

Die Ausstellung „Art overcome Boundaries“ läuft noch bis zum 14. Mai. Ingrid Roosen-Trinks führt persönlich. Wittkielhof, 24409 Wittkiel, zur Anmeldung hier: visit@kunstfuerangeln.de


Quelle: n-tv